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1. 

Es war später Nachmittag, als eine Gruppe Reiter am Fuß des Zickelberges um eine Kehre bog. Die Hufe der großen Pferde stampften dumpf auf den weichen Waldboden und aus ihren Nüstern stieg Dampf in die kalte Luft auf.
Die Herren hoch zu Ross trugen lange, schlammbespritzte Mäntel über ihren fleckigen und abgewetzten Rüstungen. Haare und Bärte standen borstig und voller kleiner Blätter in alle Richtungen. Der Trupp wirkte abgerissen und hungrig. 
Jedoch waren die Hände, welche die Zügel hielten, gesund und kräftig, und helle Augen blitzten unter dem langen, feuchten Haar hervor. 
Die Ritter bewegten sich auf ihren Pferden, als wären sie mit ihnen verwachsen. Seit Messina waren sie mehr geritten, als sie Zeit auf ihren eigenen Füßen verbracht hatten. Und diese Tiere waren zu Freunden geworden, denn sie hatten die Männer schon in fernen Ländern auf ihren Rücken getragen. Zusammen hatten sie das Meer auf großen Seglern überquert und so manche Schlacht im heißen Wüstensand überstanden. 
Kein Zweifel: Hier waren heimgekehrte Kreuzritter unterwegs, und ihre lauten, gut gelaunten Stimmen schallten schon von weitem, wenn sie sich etwas zuriefen oder kurze Lieder anstimmten, um sich aufzuwärmen.
Die Ritter wurden von einem seltsamen Gefährten begleitet. Ein junger Mann auf einem kräftigen Pony, fast noch ein Knabe, so schien es. Er trug keine Rüstung, aber fremdländische Gewänder in leuchtenden Farben und auf dem Kopf einen Turban. Kein Schwert schmückte seinen Gürtel, sondern ein gebogener Dolch mit einem reich verzierten Griff, auf dem farbige Edelsteine schimmerten. 
„Euer Land ist kalt und nass!“, beschwerte sich der kleine Reiter. 
„Und das Eure ist heiß und trocken, was nicht besser ist“, entgegnete einer der Ritter. Ganz zweifellos war diese Unterhaltung nur die Fortsetzung eines gewohnten, freundschaftlichen Geplänkels.
„Wartet, bis Ihr unser Land im Frühling kennt“, rief ein anderer Ritter, „so viel Grün habt Ihr noch nie gesehen und so eine Luft noch nie geatmet!“
Der kleine Reiter schnaufte missbilligend, als sein Pony in eine so tiefe Pfütze trat, dass der Schlamm bis hinauf in sein Gesicht spritzte. „Ihr könnt mir viel erzählen. Euer Frühling ist so weit weg wie meine Heimat.“
„Ihr wolltet doch unbedingt fort aus Eurer Heimat“, neckte der erste Ritter.
„Ja, aber nur, weil ich ein Dschinn bin und, wie Ihr längst wisst, die Dschinns in unseren schönen Ländern gemieden und gefürchtet werden. Selbst eine Rotte solch abgerissener Kerle wie Ihr es seid, erscheint mir besser als gar keine Gesellschaft.“
„Es ist uns eine Ehre, Scotty!“, spöttelte der jüngste der Ritter. 
Natürlich heißt kein Dschinn „Scotty“, aber seinen wirklichen Namen brachten die Ritter nicht über die Zunge. Also nannten sie ihn Scotty, weil sie, als sie ihm zum ersten Mal begegnet waren, gedacht hatten, er gehöre zu einer Gruppe Ritter von den Inseln im Norden.
Tatsächlich hatte der kleine Dschinn lange überlegt, ob er seine jungen Freunde so weit bis ins Abendland begleiten sollte. Aber er war in seinen besten Jahrhunderten, bei vollen Kräften und ihm stand der Sinn nach neuen Abenteuern.  
Nun, am Ende einer viele Monate währenden Reise, wünschte er sich, genauso wie die Ritter, eine dauerhafte Bleibe. Besonders jetzt, denn der Winter war nah. 
Inzwischen stieg der kleine Reitertrupp einen Hügel hinan und stieß auf ein Dorf, welches sich an den sanften Hang schmiegte und bereits die Lichter hinter heimeligen Fenstern angezündet hatte. Hoch oben über den Häusern thronte eine gemauerte Burg. Sie war das Ziel der Ritter, und bald klapperten die Hufe ihrer Pferde hell auf dem Pflaster des Burghofs. 
Der Herr der Burg vom Zickelberg war natürlich entzückt, ruhmreiche Kreuzritter zu Gast zu haben, und es gab endlich einmal wieder ein üppiges Gelage für die ausgehungerten Recken. Sie tranken roten Wein und aßen herrlichen Braten mit frischem Gemüse aus der Herbsternte. 
Den Menschen auf dem Zickelberg ging es gut. Sie waren fleißige Leute und hatten sich einen hervorragenden Ruf als Weber und Tuchhändler erarbeitet. Den Rittern gefiel, was der Burgherr von diesem Ort zu berichten wusste, und sie fragten ihn, ob er nicht vielleicht ein kleines Gut oder einen Hof für sie freistehen hätte. Denn sie waren des Reisens und Reitens müde und Mensch und Tier sehnten sich nach gemauerten Wänden und einem Zuhause. Und in den Beuteln der jungen Krieger befand sich eine beträchtliche Menge an Münzen aus Gold und Silber, was wiederum dem Burgherrn gefiel.
So wurde man sich einig und schon am nächsten Tag übergab der Burgherr den Rittern ein verlassenes Gut am südöstlichen Fuß des Zickelberges. Es war malerisch an einem hübschen Teich gelegen, über den eine schön geschwungene Brücke führte. Fruchtbare Felder und ordentliche Stallungen warteten nur darauf, zu neuem Leben erweckt zu werden. Es war perfekt! Zwar vermisste der kleine Dschinn schmerzlich die filigran geschnitzten, schattenspendenden Fensterläden seiner Heimat, aber die Vorstellung, hier mit seinen fröhlichen Freunden zu wohnen, gefiel ihm außerordentlich gut. 
Sie nannten ihr neues Zuhause aufgrund der dort üppig wachsenden, jetzt mit roten Beeren geschmückten Stechpalmen „Hülsdorn“ und richteten sich ein. Die Ritter nahmen sich eigene Gemächer, und Scotty streifte beglückt durch die geräumig gemauerten Kellergewölbe und bewunderte die vielen, kunstvoll verzierten Kamine des weitläufigen Gebäudes. 
Man muss vielleicht dazu sagen, dass Dschinns nicht in Betten zu schlafen pflegen. Wenn sie ruhen wollen, verwandeln sie sich in eine Art Rauch und bevorzugen dann kleinere Höhlungen und Gefäße, in denen sie nicht versehentlich weggeweht werden können, wo aber auch keine Möglichkeit besteht, unbemerkt eingeschlossen zu werden. Von daher war dieses Haus für Scotty wie geschaffen. Er pflegte in stilvollen Amphoren und hohen Schalen zu nächtigen, die er auf den Kaminsimsen aufstellte. Denn er liebte die Wärme, die das Einzige war, was er in diesem Land wirklich vermisste.
In Ermangelung eines Rittersaales wurden im Untergeschoss drei besonders schöne, lichtdurchflutete Räume für die gemeinschaftliche Nutzung ausgewählt. 
Ach ja,– was soll man sonst Gelage nennen, wenn nicht das, was fortan in diesen herrschaftlichen Zimmern gefeiert wurde? Der Krieg war vorbei, es gab keine Sorgen und keine Schlachten mehr. Die Ritter ließen es sich wohlverdient gut gehen. Hülsdorn hieß zahlreiche Gäste willkommen, beherbergte Handelsreisende und hörte viele fröhliche Lieder. So kalt der Winter auch wurde, immer brannten prasselnde Feuer in den Kaminen und immer waren die Fenster hell erleuchtet. Aus der Küche duftete es allemal nach herrlichen Speisen und nicht selten hörte man, bis weit in die Nacht, Gesang und schallendes Lachen. Hülsdorn am Fuß des Zickelberges war ein glücklicher Ort. 
Tja – natürlich würde ich dies alles nicht erzählen, wenn die guten Zeiten nicht irgendwann ein Ende gefunden hätten. Alles war schön und wunderbar, bis eines Tages merkwürdige Gäste nach Hülsdorn kamen. 
Scotty spazierte gerade im Park unter den frühlingsgrünen Kronen der hohen, alten Buchen. Seine Freunde hatten recht behalten: der Frühling hierzulande war ein fortwährendes Versprechen von Licht und Glück. 
Hufschläge und das Rumpeln von Kutschrädern weckten ihn aus seinen Gedanken. Ein ganzer Wagenzug näherte sich vom Fuß des Hügels aus. 
Voran ritt in gerader Haltung ein Mann auf einem großen, nervösen Pferd. Schon die Art, wie er die Zügel handhabte, gefiel dem kleinen Dschinn ganz und gar nicht. Noch weniger gefiel ihm das Untier, das den Fremden begleitete: eine riesige Bache, die ihm folgte, wie ein Hund. 
Hinter dem Anführer kam ein großes Gefolge daher. Es schienen Händler zu sein, wie sie häufig am Zickelberg vorbeikamen. Sie kauften Garne und Leinen und brachten allerlei nützliche (und weniger nützliche) Waren für die Dorfbewohner und den Burgherrn mit. Nicht selten begrüßten die ehemaligen Ritter solche Händlerzüge auf Hülsdorn. Der Hof war groß, die Kammern gefüllt, man machte gute Geschäfte und hörte gerne Neuigkeiten. 
Der Tross hielt jetzt auf die geschwungene Brücke zu, die über den Teich zum Hof führte. Scotty verbarg  sich unauffällig zwischen einigen Sträuchern und beobachtete die Fremden. 
Der Anführer machte von Nahem keinen vertrauenerweckenderen Eindruck als aus der Ferne. Sein scharf geschnittenes Gesicht war blass und er trug einen pechschwarzen, akkurat ausrasierten Bart. Seine schwarze Kleidung mutete fremdländisch an. Fremdländisch für hiesige Verhältnisse, aber nicht für Scotty. Dieser Herr kam aus seiner Heimat! Das hätte den kleinen Dschinn freuen können, aber stattdessen breitete sich ein zutiefst ungutes Gefühl wie eine dunkle Wolke in ihm aus. Irgendetwas stimmte mit dem Anführer dieser Handelsreisenden nicht. 
Der Fremde ritt jetzt über die Brücke. Sein Pferd scheute und tänzelte, als es mit den Hufen auf die vibrierenden, hölzernen Bohlen trat. Der dunkle Reiter riss an den Zügeln und gab ihm die Sporen, bis das schwarze Tier mit drei mächtigen Sätzen das Gras diesseits des Teiches erreichte. 
Die jungen Herren von Hülsdorn waren inzwischen aus dem Haus getreten, um die unerwarteten Gäste zu begrüßen. Ihre Knappen mühten sich, das schwarze Ross im Zaum zu halten, während sein Reiter mit wehendem Mantel abstieg und sich verbeugte. 
„Seid gegrüßt, meine Herren!“, sprach der Fremde mit einer Stimme, die, obwohl leise, doch auch von den entfernt Stehenden gut vernommen werden konnte. Und als der kleine Dschinn diese Stimme hörte, wusste er, dass Unglück über sie gekommen war.
Im gleichen Moment rannte die Wildsau des Neuankömmlings so schnell an den anderen Pferden vorbei über die Brücke, dass diese scheuten und beinahe ein hoch beladener Wagen umgekippt wäre. 
„Phaia! Hierher!“, herrschte der Fremde und das riesige, schnaufende Borstentier schmiegte sich an seine Beine wie ein unterwürfiger Hund. 
Scotty huschte hinter einen mächtigen Buchenstamm und beobachtete, wie die Ritter die Reisegesellschaft in den Hof geleiteten. Er hatte ein wenig Zeit, denn jetzt würden zuerst die Tiere ausgeschirrt und in den Ställen gefüttert. Dienern und Knechten würden ihre Lager im Stroh gewiesen werden und die Herren der Reisenden würden die Gemächer beziehen, die stets für hochgestellte Besucher bereitgehalten wurden. 
Während sich die Gäste einrichteten, eilte der kleine Dschinn zu seinen Freunden, die schon voller Vorfreude auf einen geselligen Abend die Kamine der Gemeinschaftsräume einheizten.  
„Ihr müsst ihn wieder fortschicken!“ Scotty hob vor lauter Aufregung auch in seiner menschlichen Gestalt ein wenig vom Boden ab. Es war dies eine seltsame Angewohnheit, an die sich seine Freunde inzwischen gewöhnt hatten. „Er ist gefährlich, er kommt aus meiner Heimat!“
„Ach, Scotty, komm, was soll an diesem Edelmann gefährlich sein? Schäme dich, er ist ein Landsmann von dir.“
„Ja, eben“, erwiderte Scotty und schwebte unwillkürlich auf den Kaminsims im Spiegelzimmer, was zugegeben sehr albern aussah. „Er ist aber kein Mensch, er ist ein Dschinn!“
„Na, du bist doch auch ein Dschinn und unser bester Freund“, lachten die Ritter und schenkten sich blutroten Wein in große, reich verzierte Kelche ein. 
„Er ist ein besonderer Dschinn. Er ist ein Ghul!“ 
Aber ach – was wissen schon Abendländer davon, was ein Ghul ist? Ghule sind böse. Das ist alles, was sie sein wollen. Und genau wie Scotty waren auch einige Ghule mit den Kreuzzügen in den nördlichen Kontinent hereingeschwappt – und trafen auf ahnungslose Leute und fette Beute. In Scottys Heimat flohen die Menschen den Ghul, sobald er sich näherte. Aber hier erkannte ihn niemand. Außer Scotty. Und auf ihn hörte man nicht. 
Es brach dem kleinen Dschinn das Herz. Seine guten, ehrlichen, jungen Ritter waren verloren. Der Ghul würde sie unweigerlich ins Verderben führen und ihr schönes, fruchtbares Hülsdorn würde ein verfluchter Ort werden. Das war sicher. Denn wenn ein Ghul auftaucht, dann braucht es mehr, als einen einzigen guten Dschinn, um ihm die Stirn zu bieten. 
Scotty hatte nicht viel Zeit. Und er hatte nicht viel Macht, das war ihm durchaus bewusst. Er musste schnell handeln, bevor dieser böse Dämon entdecken würde, dass hier ein weiterer, ein guter Dschinn lebte, der ihn erkannt hatte. 
Als Scotty sah, dass seine gutherzigen Ritter ihm nicht glauben würden, floh er eilig in seiner unstofflichen Gestalt über den Zug des Spiegelkamins ins Kellergewölbe und nahm eine frisch abgefüllte Flasche aus einem der vielen Weinregale. Als Erstes musste er diese Phaia, die Wildsau des Ghuls unschädlich machen. Zwar haben die tierischen Begleiter der Ghule keine eigene Zauberkraft, aber die Ghule lieben sie, wie Damen ihre Schoßhündchen. Und Phaia würde unweigerlich in einer einzigen Nacht den schönen Park von Hülsdorn in einen zerpflügten Acker verwüsten. Aber das war nicht der alleinige Grund, warum die Wildsau festgesetzt werden musste. Scotty wollte Zeit gewinnen, wollte den Ghul mit der Suche nach seinem Schoßhündchen ablenken. 
Der kleine Dschinn sah nur eine einzige, winzige Chance: Er konnte Hülsdorn, diesen schönen, fruchtbaren Ort, vielleicht für die Zukunft noch retten. Seinen jungen Rittern konnte niemand mehr helfen. Und es würde jedem, der fortan auf Hülsdorn lebte, schlecht ergehen. Denn Ghule hassen glückliche Orte und verfluchen sie auf lange Zeit. 
Scotty handelte schnell. Zuerst lockte er Phaia, das riesige Vieh von Drecksau, mit einem halb vergammelten Käse hinter den Schweinekoben. Und während sie sich rülpsend über das stinkende Stück Futter hermachte, entkorkte Scotty die Weinflasche und flüsterte eine lange und alte Beschwörungsformel, die jeder Dschinn auswendig kennt. Und tatsächlich: Phaia erhob sich in die Luft, drehte sich immer schneller um sich selbst, wurde zu einem wirbelnden Nebel und verschwand wie in einem Sog in dem blutroten Wein. Mit den letzten Worten des Zauberspruchs verkorkte der kleine Dschinn die Flasche und eilte wie der Wind ins Kellergewölbe zurück. Dort griff er zu Papier und Feder, beschrieb eilig ein Flaschenetikett und klebte es auf den verwunschenen Wein. Er sprach noch einige Zauberformeln und hoffte, sie würden bewirken, dass dieser Wein seinen Weg finden und Hülsdorn retten würde. 
Natürlich dauerte es nicht lange, bis der Ghul seine Phaia vermisste.  Zuerst schickte er die Diener aus, nach ihr zu suchen. Aber als diese erst nach Einbruch der Dämmerung zurückkehrten und berichteten, dass die Spur der Wildsau sich am Schweinekoben geradezu in Luft aufgelöst hatte, schöpfte er Verdacht. Eine so treue Wildsau verschwindet nicht einfach so. Der Ghul zählte eins und eins zusammen und so offenbarte sich ihm die Existenz eines weiteren Dschinns in diesen Mauern. 
Aber damit hatte Scotty gepokert. Er hatte die Zeit genutzt und sich rasend wie ein Sturm zu den Kutschen der Händler aufgemacht. Er versteckte die Flasche mit der Drecksau zwischen irgendwelchen Warenballen und flog zurück in die drei Gesellschaftsräume. Dort war schon eine beträchtliche Zahl von Gästen versammelt, und eben trugen die Mägde große Platten mit Braten und anderen duftenden Speisen auf. Niemand befand sich auch nur in der geringsten Sorge.
Der kleine Dschinn konnte seine Tränen nicht zurückhalten, als er sich vergegenwärtigte, dass all diese Fröhlichkeit fortan besiegelt sein sollte und er sich jetzt im Moment von seinen Freunden, den jungen Rittern, still und für immer verabschieden musste. Scotty versuchte, alle ihm zur Verfügung stehende Magie darauf zu verwenden, wenigstens diese schönen Räume, die so viel Glück und Freundschaft gesehen hatten, vor dem Fluch des Ghuls zu bewahren. 
Er wusste nicht, ob es ihm gelang, ob er genügend Zeit gehabt hatte, denn viel zu schnell tauchte der Dämon in der Tür auf. Er spürte die Anwesenheit des anderen Dschinns sofort. Scotty flüchtete durch den Spiegelkamin in die Kellergewölbe, aber der Ghul hatte bereits seinen Geist dorthin vorausgeschickt, während er oben in den Gesellschaftsräumen höfliche Konversation betrieb. 
Scotty warf die ungeheure Kraft des Ghuls fast um. Schmerzhaft traf ihn der böse Zauber und er spürte, wie er in einen Wirbel gezwungen wurde und ein mächtiger Sog ihn in einem finsteren kleinen Loch verschwinden ließ. Es folgte ein dumpfer, quietschender Laut, wie von einem großen Korken, der in ein Loch aus Holz getrieben wird. Und dann – Stille.
Der kleine Dschinn war gefangen. Genauso gefangen wie Phaia. Noch nicht einmal eine Flasche, durch die er hätte sehen können, war ihm vergönnt. Nein, Scotty war in einem Fass – einem kleinen, engen Fass, einem Fässchen quasi – eingesperrt. Und wenn nicht ein Wunder geschah, würde er für immer, Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt, Jahrhundert um Jahrhundert hier festsitzen. Lebend, bewusst, fühlend, denkend. 
Es blieb ihm nichts, als sich immerzu vorzustellen, dass irgendwer die Flasche mit Phaia finden und tapfer genug sein würde, Hülsdorn und ihn selbst zu erlösen. 


Fortsetzung im nächsten Kalendertürchen. 


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