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21. 

Johann, Walburga und August ritten über die Straße auf Zickelberg zu. An einer Wegkreuzung, am Fuß des Höhenzugs, begegneten sie einem Ziegenhirten mit seiner kleinen Herde. 
„Grüßt Euch!“, rief Johann ihm zu. „Wisst Ihr ein Gasthaus in der Nähe?“
Der Hirte nickte und wies mit seinem Stab auf einen Karrenweg, der nach links führte.
Also bogen sie ab und tatsächlich stießen sie nach einer knappen Meile auf einen schönen, großen Gasthof. Über der runden Eingangstür hing ein kunstvoll gemaltes Schild mit der Aufschrift „Zur Fabel“. 
Erleichtert hielten sie vor den Stufen der Tür an. Heraus eilte ein kleiner, schmaler Knecht, der nach ihren Wünschen fragte und sie in die Gaststube wies, derweil er die Ponys versorgen wollte. August bat freundlich, die Ställe einsehen zu dürfen, was ihm gewährt wurde, und er fand alles zu seiner Zufriedenheit vor. 
Das Innere der Fabel empfing sie mit schönen, großen Räumen, gemütlichen Tischen und einem wunderbaren Duft nach Gebratenem. Walburga seufzte unwillkürlich auf. Sie hatte einen Bärenhunger. 
Der Wirt der Fabel war ein tüchtiger, geschäftiger und herzlicher Mann. Er begrüßte seine neuen Gäste, machte der Dame ein artiges Kompliment und geleitete sie zu einem sauberen Tisch. 
„Wünschen die Herrschaften zu speisen?“
„Oh, ja, bitte!“ Walburga war wieder einmal vorlaut, aber es duftete wirklich allzu gut.
„Und wir hätten gern eine Kammer für die Nacht, wenn es passt“, bat Johann. „Eine für meine Gattin und mich und eine für unseren Begleiter!“ 
Er wollte August nicht als Diener vorstellen, denn es hatte ihm im letzten Gasthof arg widerstrebt, getrennt von ihrem Freund zu essen.
„Ganz wie es Euch beliebt“, antwortete der Wirt und war schon unterwegs, ihre Wünsche zu erfüllen. 
Ein weiterer Gast betrat den Schankraum und nickte den dreien kurz zu, bevor er sich in einer Ecke ein Bier servieren ließ. Johann lächelte seine Gattin und August an, denn es war Jacob, der dort in Ruhe sein Glas austrank und wieder hinausging.
„Gesegnet sei dieses Gasthaus!“, seufzte Walburga und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Ich könnte einen halben Ochsen verspeisen und dann zehn Stunden schlafen!“
Es gab zwar keinen halben Ochsen, aber eine heiße Suppe, gefolgt von gebratenen Hähnchen, gedünstetem Gemüse und köstlichen kleinen weißen Brötchen. Dazu wurde solides Bier gereicht und die drei Gäste wähnten sich im siebten Himmel. 
Als endlich der Hunger gestillt war und sich eine angenehme, warme Trägheit in ihnen ausbreitete, winkte Johann den Wirt heran. 
„Bitte, guter Mann, schenkt Euch doch ein Bier auf unsere Kosten ein und leistet uns Gesellschaft. Wir möchten ein wenig über diesen Ort erfahren.“
Und da zu dieser bald schon späten Stunde fast alle anderen Gäste nach Hause gegangen waren, ließ sich der Wirt nicht lange bitten. Er holte sich einen Krug mit schäumendem Gerstensaft und gesellte sich zu seinen drei Gästen, die höflich ihre Namen nannten. Der Wirt stellte sich als Timotheus Fabel vor. 
Sie plauderten dies und das über die Burg und den Ort Zickelberg. Dabei zeichneten sich Sorgenfalten auf des Wirtes Stirn ab. 
„Zickelberg ist wie verhext!“ Timotheus wusste gar nicht, wie nah er damit der Wahrheit gekommen war.
„Immer, wenn sich irgendwo ein wenig Frieden oder Erfolg eingestellt hat, kommt irgendein anderer, der alles wieder verdirbt.“
„Dann seid Ihr sicher froh, dass Euer schöner Gasthof so weit außerhalb der Ortschaft liegt“, bemerkte August. 
„Ja und nein“, Timotheus wiegte den Kopf hin und her. „Ich habe auch mein Päckchen zu tragen. Nicht alle Nachbarn hier sind angenehm.“ 
Sie blickten ihn fragend an, aber anscheinend wollte er nicht weitersprechen. 
„Sagt“, begann Johann beiläufig, „hier soll es irgendwo ein altes Rittergut geben?“ 
Timotheus schaute Johann plötzlich scharf, ja fast feindselig an. 
„Warum fragt Ihr das? Was habt Ihr mit denen zu schaffen?“ Der Wirt machte Anstalten, sofort vom Tisch aufzustehen. 
Die drei erschraken. Unabsichtlich hatte Johann wohl tief in ein Wespennest gestochen. Und er versuchte, schnell zu beschwichtigen.  
„Sachte, lieber Herr, wir haben keine bösen Absichten und keinerlei Bekanntschaft mit den Leuten, die dort wohnen.“
„Warum fragt Ihr dann?“ Timotheus war keineswegs beruhigt. Er blickte sich in der Gaststube um. Die letzten Gäste hatten sich verabschiedet und der Wirt ging rasch zur Tür, um sie abzusperren. 
Er wies den Knecht an, Feierabend zu machen, und schloss auch die Tür zur Küche und zu den Gästefluren.
Als er wieder an den Tisch zurückgekehrt war, vertraute Walburga ihrem Gefühl und wagte einen Vorstoß. Mit gesenkter Stimme sagte sie: „Hört, es ist so: Wir wissen, dass etwas Böses auf diesem Gut vorgeht.“ 
Timotheus fixierte Walburga mit einem misstrauischen, aber auch interessierten Blick. 
„Wir müssen mehr über diesen Gutshof erfahren“, fuhr sie fort, „denn uns ist eine Aufgabe zuteilgeworden, die uns das Wissen darüber vermittelte, wie man dieses Böse …“ Sie stockte.
„… in Gutes verwandeln kann“, fiel August rettend ein. 
„Und warum sollte ich Euch trauen?“ Timotheus war eindeutig nervös. Die drei erkannten, dass es wahrlich kein Spaß war, in der Nachbarschaft eines Ghuls zu wohnen. Sie konnten das Misstrauen des Wirtes gut verstehen. 
„Hol die Flasche, Walburga“, bat Johann. Und sie öffnete ihr Bündel, das hinter dem Tisch an der Wand lehnte, und zog Phaias Weinflasche hervor. Sie reichte sie dem Wirt und der hielt das Etikett ins Lampenlicht. 
„Ich verstehe nicht“, sagte Timotheus, aber das Misstrauen wich von seinem Gesicht. „Auf dem Rittergut ist jemand gefangen?“ 
„Ja“, antwortete Walburga, „Scotty wird dort irgendwo festgehalten.“ 
„Und wer ist Phaia und was hat das alles mit einer Wildsau zu tun?“ 
Die drei Gefährten zögerten. 
„Nun ist es an uns, zu fragen, warum wir Euch trauen sollten“, sagte Johann und schaute den Wirt fragend an. 
Timotheus nickte nachdenklich. „Ich kann Euch nichts beweisen“, fing er dann an und schien sich zu überwinden. „Aber das Gut, von dem Ihr sprecht, liegt nur einen Spaziergang weit von diesem meinem Gasthof entfernt. Seit ich denken kann, lebt und herrscht dort ein finsterer Mensch. Niemand scheint seinen richtigen Namen zu kennen. Früher, in alten Aufzeichnungen, nannte man ihn Bellus – den Schönen,  später bekam er den Namen „der Harte“. Und inzwischen nennt er sich selbst so und stellt sich als Bellus de Harde vor.“
Die anderen lauschten gespannt.
„De Harde hat mich in die Pflicht genommen, ihn zu beliefern. Ich versorge seine Küche mit allem Notwendigen, um die Menschen, die auf dem Gut leben, zu ernähren. Auch Wein und Branntwein bezieht er über mich.“
„Und warum bedient Ihr einen so bösen Herrn?“, fragte August, jetzt doch wieder misstrauisch. 
„Meint Ihr, ich hätte mir das ausgesucht?“ Der Wirt fühlte sich anscheinend bei seiner Ehre gepackt. „Meint Ihr, man könne Bellus de Harde einfach so einen Dienst verweigern?“ 
„Was würde passieren, wenn Ihr es tätet?“, fragte Johann. 
Timotheus zögerte. „Der Wein wird sauer“, stammelte er dann fast. „Die Gäste prügeln sich, das Essen brennt an, die Magd wird krank, das Pferd lahmt, ein Sturm deckt das Dach ab ... Sowas in der Art. Und alles auf einmal.“ 
Die drei Gefährten schauten bestürzt. 
„Er ist ein Hexer, wenn Ihr mich fragt.“ Timotheus schien seine eigene Aussage in Schrecken zu versetzen. 
„Er ist ein Ghul“, antwortete Johann, als wäre dies ein Trost. Der Wirt blickte auf. „Egal, wie Ihr es nennt. Man kann nichts gegen ihn ausrichten.“
„Und wenn doch?“, warf Walburga ein. „Wenn er seinen Feind nicht kennen würde, der Feind aber ihn erkannt hätte?“ 
Timotheus sah seine drei Gäste an und ihm brach der Schweiß aus.
„Wenn Ihr uns helfen wollt, dann erzählt uns alles, was Ihr über dieses Gut wisst. Vor allem aber interessiert uns eins: Wo könnte de Harde jemanden gefangen halten?“ 
Der Wirt überlegte einen Augenblick. Dann sagte er: „Wenn ich Bellus Gemüse, Getreide und Wein liefere, muss ich alles in der Küche und bei den Vorratskammern abgeben. Auch den Wein. Niemals lässt er mich in seinen Weinkeller. Da hängt ein großes, schweres Schloss vor. 
Walburga schaute ihre beiden Begleiter bedeutungsvoll an. „Das passt. Auch Phaia war in einer Weinflasche.“ 
„Gibt es gar keine Möglichkeit, in diesen Weinkeller hineinzugelangen?“, fragte Johann. „Wird das Schloss jemals geöffnet?“
Timotheus dachte angestrengt nach. 
„Es gibt eine Kellerluke direkt unterhalb der Mauern des Herrschaftshauses. Aber sie ist winzig. Da passt kein Mann hindurch. Vielleicht gerade mal ein Kind.“
Walburga stand auf. Sie trat auf den Wirt zu, nahm seine Hände und legte sie um ihre Taille. Johann durchzuckte der eifersüchtige Reflex, aufzuspringen. Timotheus’ große Hände reichten so weit um Walburgas Mitte herum, dass sich Daumen und Mittelfinger fast berührten. 
„Würde ich hindurchpassen?“, fragte Walburga. 
Der Wirt ließ sie mit einem Seitenblick auf Johann schnell wieder los. 
„Das könnte sein“, überlegte er und versuchte, die vor ihm stehende Frau nicht allzu genau in Augenschein zu nehmen.
„Dann werde ich es versuchen!“
„Himmel, Walburga, bist du von allen guten Geistern verlassen?“, schimpfte Johann. 
„Im Gegenteil“, entgegnete Walburga trotzig. „Ich werde hoffentlich einen guten Geist herauslassen.“ 
„Nein, das erlaube ich nicht!“ Johann wollte aufstehen, wurde aber von August am Arm zurückgehalten. 
„Was haben wir für eine Wahl?“, fragte August. Und dann an den Wirt gewandt: „Verlässt der Ghul manchmal den Hof?“ 
Timotheus nickte. „Er pflegt des Nachts auszureiten. Er hat eine Vorliebe für heißblütige schwarze Pferde, und in trockenen Nächten sehe ich ihn weit über die Felder galoppieren.“
Da schien ihm etwas einzufallen. Er riss die Augen auf und schaute noch einmal auf Phaias Weinflasche. 
„Ihr sagt tatsächlich die Wahrheit! Ich habe ihn gesehen! Jetzt weiß ich, was das für ein Schatten war, der ihn die letzten Nächte begleitet hat. Es war ein Wildschwein!“
Die anderen nickten. 
Walburga stand unvermittelt auf. „Es ist eine trockene Nacht!“, sagte sie. 
„Willst du das wirklich wagen?“ Johann befand sich irgendwo zwischen Angst und Stolz. 
„Wozu bin ich sonst wochenlang durch Kälte, Dreck und Gefahr gereist?“, fragte seine Frau zurück. 
Und dann ging alles recht schnell. Der Wirt wies ihnen ihre Kammern zu, Walburga wechselte das Kleid gegen die ledernen Hosen und zog sich ein warmes Wams über.
In der Gaststube erwartete sie Timotheus, der, ebenfalls in Stiefeln und Mantel, eine kleine Laterne unter einem dicken Filz verborgen hielt. Und so traten sie zu viert aus dem Gasthaus in die dunkle Nacht. 
Es war tatsächlich nur ein kurzer Gang über einen ordentlichen Karrenweg, bis sie vor sich gedämpfte Lichter sahen, die vereinzelt in den Fenstern eines großen Gebäudes schimmerten. Sie kamen an ein schmiedeeisernes Tor, dessen Angeln in zwei spitz zulaufende Steinsäulen getrieben waren. Es war nicht verschlossen. Der Herr dieses Hofes hatte niemanden zu fürchten, der durch ein einfaches Tor aufzuhalten war. 
Vorsichtig schoben sie die eisernen Flügel auf und betraten einen breiten Weg, der auf eine Holzbrücke mit steinernen Pfeilern zuführte. 
„Seid leise“, flehte Timotheus flüsternd. „Geht auf Zehenspitzen über die Brücke und macht schnell.“
Sie beeilten sich, fast ohne einen Laut von einem Brückenpfeiler zum nächsten zu huschen. Auf der anderen Seite angekommen, konnten sie sich hinter vereinzelten Büschen und Bäumen verstecken, bis sie die Entfernung zum Haus zurückgelegt hatten. 
Timotheus führte sie rechts um eine Mauer herum und wies dann auf eine winzige Luke am Boden. Walburga schluckte bei ihrem Anblick. 
Die Kellerluke war kaum breiter, als ihr Unterarm lang war. Johann schüttelte den Kopf. Aber seine Gattin war wild entschlossen. Sie zog das wärmende Wams aus und entledigte sich sogar ihres Gürtels. Wenn sie durch dieses winzige Loch passen sollte, durfte sie nichts tragen, womit sie hängenbleiben konnte. Frierend stand sie im Hemd und mit rutschender Lederhose vor ihnen. 
Ohne lange zu überlegen, setzte sie sich auf den Boden und steckte ihre Füße durch die Luke. Sie griff rechts und links nach den Händen von Johann und August und die beiden Männer ließen sie langsam in die Tiefe hinab.
Tatsächlich passte die knabenhaft schlanke Walburga so gerade eben hindurch. Als von außen nur noch ihre Hände sichtbar waren, ließ sie los und man hörte einen dumpfen Aufprall und ein leises „Autsch!“.
Timotheus legte sich lang auf den Bauch und reichte die kleine Laterne nach unten. Er spürte, wie ihm das Licht vorsichtig aus den Händen genommen wurde. Und dann war Walburga ihren Blicken entschwunden. Unschlüssig standen die drei Männer in der Nacht. 
„Ihr solltet Euch hier ganz flach an die Hauswand drücken“, flüsterte Timotheus. „Ich will zur Ecke vorgehen und Euch warnen, wenn de Harde von seinem Ausritt zurückkommt.“
Das Erste, was Walburga durch den Kopf ging, als sie im Keller des Ghuls aufplumpste, war, wie sie jemals wieder durch diese kleine Luke nach oben kommen sollte. Aber das war ein Problem, mit dem sie sich später befassen musste. 
Sie hob ihr Licht und sah, dass sie sich in einem großen Gewölbe mit einer wunderschön gebogenen Decke befand. Es waren mehrere Räume hintereinander – und sie waren so gut wie leer. 
An den Wänden standen Gestelle, die einstmals dazu gedient haben mochten, liegende Fässer zu stapeln. Auch einige hölzerne Regale für Flaschen waren da. Aber sie waren allesamt leer, verstaubt und von Spinnweben verhangen. 
Langsam und leise schritt sie das Gewölbe an den Wänden entlang ab. Vielleicht war irgendwo eine Tür. Aber die einzige Tür, die sie fand, war offenbar der Ausgang aus dem ehemaligen Weinkeller, denn eine steinerne Treppe führte zu ihr hinauf. 
Walburga sank das Herz und sie kam sich fast ein wenig albern vor. Hier war nichts! Kein Gefängnis, keine Kammer, kein Verlies, keine Weinflasche, gar nichts! 
Noch einmal hastete sie das Gewölbe ab. Hier musste doch irgendetwas sein! Sie wischte besonders dichte Spinnweben mit der bloßen Hand beiseite. (Das hätte ihr früher mal jemand sagen sollen!). 
In einer Ecke stand ein abgenutzter, grau gewordener Reisigbesen. Sie nahm ihn auf und daran klebte ein ganzer Vorhang von Spinnweben. Aber dahinter …! Walburga konnte gerade noch einen Ausruf unterdrücken. 
In der schmutzigen Ecke, die vom Besen verdeckt gewesen war, stand ein kleines Fässchen. Es musste einst ein kostbares Gebräu enthalten haben, denn niemand füllte normalen Wein in so winzige Fässer. Sie beugte sich vor und hielt die Laterne so, dass sie besser sehen konnte. 
Das Fässchen wirkte sehr alt. Sie erkannte ein Brandzeichen, welches sie kaum entziffern konnte: Whisky of Scotland stand darauf. Walburga hatte keine Ahnung, was Whisky war, aber Scotland klang wie Scotty und sie stellte geschwind die Laterne ab und griff nach dem kleinen, hölzernen Gefäß. 
Sie musste kräftig daran rucken, denn es war schon mit allerlei Staub und Rattendreck am Boden des Gewölbes festgepappt. Das Fässchen wog schwer, gewiss war es noch gefüllt. Walburga dachte an Phaia, die auch in einer vollen Weinflasche eingesperrt gewesen war. Ihr Herz raste und klopfte so heftig, dass es ihr die Rippen zu sprengen schien. Sie schwitzte, obwohl ihre Haut in dem dünnen Hemd die Temperatur des eisigen Kellers angenommen hatte. Was, wenn jetzt irgendein fürchterliches Untier aus diesem Fass herauskäme? Aber es half nichts, sie musste es wissen, und wenn es das Letzte war, was sie in ihrem Leben tat.
Das Fass war mit einem runden Holzstopfen verschlossen, welcher mit einem halb verrotteten Leinentuch in der Öffnung steckte. Walburga griff mit zitternden Händen den hölzernen Pfropfen und zog daran.
Nichts! 
Das hätte sie sich denken können. Sie hob das Fass leicht schräg an und ließ es dann mit Kraft auf den Verschluss fallen. Mal aus dieser, mal aus jener Richtung. Und jedes Mal, wenn sie damit einen kleinen Knall verursachte, der in dem Gewölbe widerhallte, kniff sie kurz die Augen zusammen. Und da tat sich etwas. Ein Tropfen drang aus dem Fässchen hervor. Schnell stellte sie es aufrecht hin. Dann atmete sie tief ein, hielt die Luft an und zerrte entschlossen den hölzernen Stopfen heraus. 
Was jetzt geschah, hatte sie schon einmal gesehen: Es schien Qualm aus dem Fass aufzusteigen. Im Schein ihrer Laterne leuchtete er weiß wie Wasserdampf. In einem langen Faden stieg der Rauch nach oben und dann begann er sich zu drehen. Immer schneller und immer mehr Rauch, der sich nach und nach unter Windgeräuschen verdichtete.
Dann nahm der fliegende Nebel eine feste Gestalt an, die als Erstes zu Boden stürzte. Walburga starrte genauso erschrocken den kleinen Mann an, der da vor ihr hockte, wie der kleine Mann sie anstarrte. 
Der Befreite gab ein widerwärtiges Geräusch von sich. Es klang, als wolle er sich gleichzeitig räuspern und dabei husten, während er seine Stimme erprobte. Er schaute seine Hände an, befühlte seine Beine, seinen Kopf, und schien es nicht fassen zu können. 
„Pssssssst“, machte Walburga. Sie wusste nicht, wovor sie gerade mehr Angst hatte. Vor diesem prustenden Wesen, oder davor, dass sie entdeckt werden könnten. 
Der kleine Mann rappelte sich auf, stellte sich schwankend auf seine Füße, die in merkwürdigen, hochgebogenen Schnabelschuhen steckten, und fiel unvermittelt vor Walburga auf die Knie. 
„Ich danke Euch“, krächzte der kleine Dschinn und brach in Tränen aus. „Danke, mein Herr. Danke! Ihr werdet es nicht bereuen!“
„Äh“, antwortete Walburga, und der kleine Mann schaute auf. „Ich bin gar kein Herr, ich bin eine Dame.“ 
Der Dschinn starrte kurz und sagte: „Ach ja, natürlich. Verzeiht, ich muss lange eingesperrt gewesen sein. Die Mode hat sich anscheinend sehr geändert.“
„Mein lieber Scotty – so vermute ich mal, ist Euer Name – vielleicht können wir später über die derzeitige Mode plaudern. Im Moment sollten wir lieber zusehen, wie wir hier herauskommen. Der Ghul kann jeden Moment von seinem Ausritt zurück sein.“
Der kleine Dschinn sprang auf. „Ihr habt vollkommen recht.“ Er stopfte rasch das Fass mit dem Lumpen und dem Hölzchen zu und verfrachtete es wieder in seine Ecke. Walburga stellte den Besen wieder hin und drapierte ein paar Spinnweben darüber. 
Dann nahm sie erschaudernd den kleinen Dschinn bei der Hand (er fühlte sich genauso an, wie ein richtiger Mensch) und zog ihn mit sich bis unter die Luke. 
„Schafft Ihr es da hinauf?“, zischte sie leise. 
Der Dschinn nickte, hob zu ihrem maßlosen Erstaunen wie eine Wolke vom Boden ab und schwebte durch das Kellerloch nach draußen.
Johann und August hätten beinahe aufgeschrien, als direkt vor ihren Augen ein kleiner Geist aus der Luke glitt. Ein Geist in Pumphosen, einem Hemd mit riesig weiten Ärmeln und einer kurzen, weibischen Weste mit Goldtroddeln. 
Aber dann sahen sie die Laterne zu ihren Füßen leuchten. Die Männer legten sich schnell bäuchlings hin, reckten ihre Arme tief nach unten und griffen Walburgas Hände. 
Es war wirklich wesentlich schwieriger, sie aus dem Loch wieder hinauszuziehen, als sie hinabzulassen. 
Die Heldin dieser Nacht musste sich zahlreiche Schmerzensschreie verbeißen, zog sich Schürfwunden an sehr zarten Stellen zu und erschien schließlich ohne ihre Lederhose, die ihr bis zu den Füßen gerutscht war, an der Oberfläche. 
„Schaut sofort weg!“, zischte sie August an, der von einem Ohr bis zum anderen grinste. „Und wehe, Ihr erzählt jemandem davon“, fügte sie hinzu, während sie hastig die Beinkleider hochzog und von Johann ihren Gürtel entgegennahm. Rasch schlüpfte sie in ihr warmes Wams, und dann waren sie schon wieder unterwegs, sich von Deckung zu Deckung zu schleichen. 
Timotheus und der kleine Dschinn folgten ihnen wortlos. Sie huschten über die Brücke wie Schatten und schlüpften durch das schmiedeeiserne Tor. 
Nicht einen Augenblick zu früh erreichten sie die nächste Biegung des Karrenwegs, denn von dort hörten sie galoppierende Hufe, die sich erst näherten, dann in Trab verfielen und sich wieder entfernten. 
Alle atmeten geräuschvoll auf. Der kleine Dschinn taumelte und die Männer fingen ihn auf. „Schnell, zurück ins Gasthaus“, raunte Johann.
 
Fortsetzung im nächsten Kalendertürchen. 

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