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23. 

Endlich war der Nachmittag der Sonnwend-Festspiele gekommen. Einen Tag hatten die Verschwörer, deren Zahl mit Timotheus und Scotty auf zehn angewachsen war, zur Verfügung gehabt, um ihren Plan zu schmieden. Alle wussten, was sie zu tun hatten, und waren bereit – mit klopfenden Herzen und einer Mischung aus Furcht und Kampfeslust. 
Oben auf der Burg herrschte helle Aufregung. Die schon seit Wochen andauernde Geschäftigkeit erreichte ihren Höhepunkt. Vollbeladene Karren fuhren zum Burgtor hinein und leer wieder hinaus. Burschen eilten hierhin und dorthin; sie trugen Fässer, Körbe und Kisten. Aus der Küche strömten Düfte von köstlichem Braten, feinen Kuchen und gerösteten Nüssen.
Im Städtchen Zickelberg, das sich unterhalb der Burg an den Hang schmiegte, erklangen auf dem Marktplatz und den angrenzenden Gässchen zahlreiche Sägen und Hammerschläge: Offene Zelte und Stände wurden gebaut, Garküchen, Schanktische und Gauklerbühnen verwandelten den Ort in einen winterlichen Jahrmarkt. Das gemeine Volk beging auf seine Weise die Sonnwendfeier.
Man hatte das Wenige, was man an Vorräten besaß, für diesen Tag aufgespart, um es auf dem Fest zu verkaufen. Da aber bei allen der Geldbeutel fast leer am Gürtel schlackerte, griffen Missgunst und Streit um sich. Ein jeder neidete dem anderen seine Waren, machte den gewürzten heißen Wein der Konkurrenten schlecht und beschuldigte die Standnachbarn, ihm die Kundschaft streitig zu machen. 
Fast im Mittelpunkt des Marktes, am großen Brunnen, war eine Empore gezimmert worden. Ihr Hintergrund war mit nachtblauem Samt ausgeschlagen, der in weichen Falten fiel und geheimnisvolle Schatten warf. Hinter diesem Stoff verborgen, zwischen der kleinen Bühne und dem Brunnen, stand Gottfried im Gespräch mit einem kleinen Mann, der seine wollene Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. Er reichte Gottfried eine seltsame Kanne aus schimmerndem Messing.
„Dies ist ein Licht, wie man es in meiner Heimat benutzt“, sagte er. „Ich habe es mit Talg gefüllt und es wird vorn an der Tülle entzündet. Seid achtsam damit, denn ich habe dem Licht ein wenig Magie angedeihen lassen. Es wird Eure Zuhörer in Bann ziehen.“ 
Gottfried hielt das schwere Kännchen in seinen Händen und dankte dem Dschinn ein ums andere Mal.
„Ich habe zu danken“, verneigte sich der freundliche kleine Mann. „Möge Euer Vorhaben gelingen.“ 
Damit wandte er sich um und huschte zwischen all den Menschen in den Gassen davon.
Gottfried öffnete eine unter dem blauen Samt versteckte Truhe, in der ein moosgrüner Umhang lag, an den Isolde ihm allerlei goldene Borten und Troddeln geheftet hatte. Es widerstrebte ihm, sich derart zu kostümieren, aber wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer wecken wollte, musste er Blicke auf sich ziehen. 
Er wickelte die Lampe des kleinen Dschinns in einen Rest Samt und legte sie vorerst in die Truhe. Dann stieg er probeweise auf sein Podest. 
Noch hatten die Feierlichkeiten nicht begonnen und niemand nahm von ihm Notiz. Sobald die Dämmerung hereingebrochen war, würde er das magische Licht entzünden und hoffentlich den richtigen Ton treffen, um den Menschen eine Legende beizubringen, die sie nicht mehr vergessen sollten. 
Für den zurückhaltenden Gottfried, der sich nicht gern zur Schau stellte, war dies eine schwere Aufgabe. Aber er sagte sich, dass er den am wenigsten gefährlichen Auftrag von allen bekommen hatte. 
Gerade, als er das dachte, flog dicht an seinem Gesicht ein fauler Apfel vorbei und platschte an den dicken Stamm der großen Marktlinde. Ein Streit war unter den Händlern ausgebrochen und sie beschimpften sich lautstark. Es fehlte nicht viel und sie würden handgreiflich werden. 
‚Der Arm des Ghuls ist wahrlich lang‘, dachte Gottfried. ‚Und vielleicht ist meine Rolle gar nicht so harmlos, wie angenommen.‘

*

Derweil fanden sich oben auf der Burg, in einem großen Rund, die illustren Gäste des Stadtherrn ein. Damen in prachtvoll schimmernden Kleidern und Herren in farbenfroh bestickten Röcken plauderten aufgeregt durcheinander. Diener reichten auf voll beladenen Tabletts kleine Köstlichkeiten aus getrockneten exotischen Früchten, geröstetem Speck und dem unvergleichlichen Ziegenkäse, für den Zickelberg seit Generationen berühmt war. 
Girlanden aus Tannengrün und roten Schleifen schmückten die Mauern. Viele Helfer in ebenso roten Umhängen sorgten dafür, dass sich der Strom der Besucher in geordneten Wegen bewegte. Das Festspielrund mit der großen, hölzernen Bühne und den aufsteigenden Rängen war ebenfalls an den Enden der Reihen geschmückt. Seitlich der Bühne erhob sich unter einem gewaltigen Baldachin eine mit rotem Samt ausgeschlagene Loge.
Hier ging es noch etwas vornehmer zu. Der Burgherr persönlich geleitete Isolde (deren Gatte sich offiziell mit größtem Bedauern wegen einer Verkühlung hatte entschuldigen lassen) zu ihrem weich gepolsterten Sitz aus rotem Samt. Zwei prachtvolle, goldverzierte Sessel erwarteten das Königspaar. Weitere bequeme Stühle standen für den Burgherrn und Friedrich bereit. Eine Reihe geringerer Würdenträger, deren Rang und Namen sich Isolde nicht hatte merken können, aber unter denen sich auch Wolfgang befand, nahmen im Hintergrund Platz. 
Als Viktoria und Eberhard die Loge betraten, erhob sich die Gesellschaft und begrüßte das erlauchte Paar mit Verbeugungen und Applaus.
Ein besonders großer und prächtiger Sessel aus goldbelegtem, geschnitztem Holz und schwarzen Samtpolstern blieb frei. Sowohl dieser thronartige Platz als auch das Erscheinen des Ghuls als letzter Gast, machten deutlich, dass der eigentliche Herrscher der Burg und des Städtchens Bellus de Harde war. 
Isolde versuchte, dem aufgeregten Summen in all ihren Nerven Herr zu werden, indem sie Viktoria anlächelte und ein ums andere Mal zu einem tiefen Atemzug ansetzte. Aber die Magd des Burgherrn hatte ihr Mieder derart kraftvoll zugeschnürt, dass sie nicht viel mehr als ein Hecheln zustande brachte. Sie würde froh sein können, wenn sie nicht gänzlich wegen Luftmangels in Ohnmacht fiele.
Um sich abzulenken, betrachtete Isolde die noch leere Bühne und die voll besetzten, hölzernen Ränge. 
Da erhoben sich plötzlich alle Anwesenden in der Loge wie auf ein geheimes Zeichen und das laute Plaudern wich einem Tuscheln und Raunen. Die Gesellschaft wandte sich dem Vorhang am Eingang der Loge zu, welcher von zwei Dienern in tiefer Verbeugung zur Seite gehalten wurde. 
Zuerst erschien es Isolde, als befände sich hinter dem rotsamtenen Spalt eine mächtige, dunkle Wolke. Über ihre Haut huschte ein ängstliches Kribbeln. Sie schauderte und spürte, dass ihre Knie ein wenig an Halt verloren. Worauf hatte sie sich da eingelassen? 
Der Ghul trat in die Loge und alle anwesenden Herren verbeugten sich, während die Damen in tiefe Knickse sanken. Selbst das Königspaar ließ sich zu einer unstandesgemäßen Ehrerbietung durch das Neigen ihrer Köpfe hinreißen. Isolde versuchte, zu knicksen und gleichzeitig in ihrem engen Mieder zu atmen, aber nicht ohne vorher einen Blick auf den Ehrengast erhascht zu haben. 
Es gab keinen Zweifel daran, warum der Ghul den Namen Bellus – der Schöne –  erhalten hatte. Sein Gesicht war schmal und scharf geschnitten und die blassen Züge ebenmäßig. Das nach hinten gekämmte Haar glänzte schwarz. Ein akkurat gestutzter Schnurrbart reichte, in dünnen Linien auslaufend, bis an die markanten Unterkieferknochen und in der Mitte des Kinns verlief ein weiterer, perfekt gezogener Bartstreifen. 
Ein Antlitz, welches unerreichbar aristokratisch und gefällig ins Auge fiel. Seine gänzlich in Schwarz gekleidete Gestalt war schlank und voller geschmeidiger Kraft.
Isolde musste sich eingestehen, dass ein Teil ihrer weichen Knie auf die umwerfende Attraktivität des Ghuls zurückzuführen war. Gleichzeitig verspürte sie, beim Gedanken an ihr Vorhaben, einen kaum zu beherrschenden Fluchtimpuls. Sich dem Zugriff dieses Dämons auszusetzen, erfüllte sie mit solchem Entsetzen, dass sie kurz überlegte, einfach über die Brüstung in das Rund der Schausteller zu springen und davonzulaufen.
Da wurden helle Fanfaren laut. Die Zuschauer verstummten erwartungsvoll und alle Blicke richteten sich auf die Loge.
„Liebes, verehrtes Publikum“, hob Rudolf mit tragender Stimme an. „Es ist mir eine große Freude, die diesjährigen Sonnwend-Festspiele zu eröffnen. Das Wetter meint es gut mit uns und es warten hervorragende Künstler darauf, uns mit ihren Darbietungen zu erfreuen. Es beglückt mich ganz besonders, unsere Majestäten Viktoria und Eberhard zu Gast zu haben.“
Die Festspielbesucher applaudierten und ließen das Königspaar hochleben. Jedoch war Rudolfs Rede lange nicht beendet. Der Burgherr liebte es, zu sprechen und viele Zuhörer zu haben. Und er sagte noch so manches Wort, das die Menge weitgehend gutmütig über sich ergehen ließ. 
Isolde spürte, dass der Ghul zu ihrer Linken ein wenig unruhig wurde. Sie ergriff die Gelegenheit und spielte ein unterdrücktes Gähnen vor, indem sie ihre behandschuhten Fingerspitzen zierlich vor dem Mund hin und her wedelte. 
Mit einem wohlplatzierten Seitenblick zeigte sie sich von ihrem Sitznachbarn ertappt und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Als sich ihre Blicke trafen, wäre Isolde beinahe zurückgewichen. Alle ihre Sinne sträubten sich und wollten nichts lieber, als Abstand zwischen sich und diesen Dämon zu bringen. Aber sie riss sich zusammen und hielt dem Blick so lange stand, wie es sich für einen kleinen Flirt gehörte. 
Der Ghul war wie vom Donner gerührt. Eine Dame zwinkerte ihm zu! Das war ihm seit Jahrhunderten nicht mehr vorgekommen. Er betrachtete Isolde in ihrem hell gebleichten Wollgewand, das reichlich mit goldenem Brokat gesäumt war. Ihr dunkles Haar war kunstvoll mit Perlenketten drapiert und die frische Luft hatte ihr Gesicht rosig gefärbt. Der Blick des Ghuls wanderte prüfend durch die Loge, aber es schien, als sei die schöne Dame ganz ohne Begleitung.
Unterdessen hatten unten auf der Bühne die Spiele begonnen. Als Erstes wurde ein Gesangswettbewerb ausgetragen und Rudolf hatte in seiner Auswahl der Kontrahenten viel musikalischen Verstand bewiesen. Die Sänger waren talentiert und ein Lied schöner als das andere. 
Isolde nutzte jeden Applaus und jede Besonderheit der Darbietungen, um mit Bellus einen begeisterten Blick zu wechseln. Schließlich begann ihr Bewunderer, kleine Bemerkungen über die Musikstücke und Künstler mit ihr auszutauschen. Dann lehnte er sich nah zu ihr hinüber. 
„Wie war noch gleich Euer Name, schöne Dame?“ 
Isolde wurde ganz kurz schwindelig, als die tiefe, überaus angenehme Stimme des Ghuls so nah an ihrem Ohr ertönte. Wieder dieser furchtbare Fluchtimpuls, der sie heftig zusammenzucken ließ.
„Oh, entschuldigt, habe ich Euch erschreckt? Das war nicht meine Absicht.“ 
‚Reiß dich zusammen!‘, schalt Isolde sich im Stillen selbst. Sie spielte ihr schönstes Gesellschaftslächeln auf und drehte sich, so anmutig, wie sie es fertigbrachte, zu dem Ghul um. 
„Isolde, mein Herr, mein Name ist Isolde!“ 
Auch aus der Nähe war sein Gesicht makellos und seine tiefbraunen Augen unter den schwarzen Brauen voller abgründiger Magie. Anziehung und Bedrohung kämpften wie zwei schwankende Waagschalen um ein nicht erreichbares Gleichgewicht. Der Schwindel, den sie auslösten, verursachte Isolde eine seltsame Übelkeit, als säße sie in einer schaukelnden Kutsche oder einem Boot auf unberechenbaren Wellen. 
Sie klammerte sich an die samtbezogenen Lehnen ihres Stuhls und legte alle Konzentration, die sie aufbringen konnte, in einen schmachtenden Blick, den sie heroisch in Bellus‘ Augen versenkte. 
„Angenehm, Dame Isolde, sehr angenehm“, raunte die Stimme des Ghuls ihr zu. 
Isolde hoffte, dass sie nicht vor lauter Ekel einen spontanen Ausschlag im Gesicht bekäme. Aber sie hielt sich tapfer, lächelte, flirtete und schlug immer genau im richtigen Moment die Augen nieder. 
‚Es funktioniert‘, dachte sie atemlos und senkte kokett ihren Blick, nur um ihn gleich wieder zu heben und Bellus diesmal ein sehr geschmeicheltes Lächeln zu schenken. 

* 

Die frühe Dämmerung breitete sich über Zickelberg aus und auf dem Markt und in den Gassen wurden Lichter entzündet. Menschen schlenderten an den Ständen entlang, warfen missbilligende Blicke auf die ausgelegten Waren und beklagten sich lautstark darüber, wie teuer alles war und wie minderwertig das Angebotene. Kaum jemand verkaufte etwas, mit Ausnahme der Wirte, die große Kessel mit heißem, gewürztem Wein aufgestellt hatten. Auch die eine oder andere Garküche, besonders diejenigen, welche in Fett Ausgebackenes feilboten, fanden – wenngleich nörgelnden – Zuspruch. 
Gottfried war froh, dass er nur scheinbar sein Brot als Geschichtenerzähler verdienen musste. Üblich war es, den Gauklern bei einer gefälligen Darbietung Münzen zuzuwerfen. Damit war hier, unter diesem armen und geizigen Volk, nicht zu rechnen. 
Aber sei’s drum – seine Mission war eine andere. Er fasste sich ein Herz, überwand seine Abneigung, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und bestieg sein Podest. Dabei hielt er die brennende Messinglampe des Dschinns in der Hand.
„Hört, ihr Leute“, rief er laut und schwenkte die Lampe am erhobenen Arm. Einige Gesichter drehten sich zu ihm um. 
„Hört meine Geschichte. Eine seltsame Mär’ aus alten Tagen, von Blut, Verrat und einer finsteren Macht, die niemals ruhen kann! Kommt herbei und hört!“
Neugierig kamen einige Menschen näher. Gottfried hielt die Lampe am ausgestreckten Arm vor sich und trat nah an den Rand des Podestes. Er leuchtete mit weit ausholender Geste in die Gesichter der Zuhörer. 
„Kommt heran, ihr guten Leute, und hört von Rittern, Geistern und bösem Zauber. Hört, wenn Ihr den Mut habt. Denn ich verkünde die Wahrheit, ich schwöre Euch, die Wahrheit, die all Euer Elend erklärt.“ 
Das war weit aus dem Fenster gelehnt. Die Menschen hatten wenig Lust, sich auf dem Sonnwendfest mit ihrem Elend zu befassen. Aber vielleicht lag es ja an des Dschinns kleiner Messinglampe, und vielleicht schlummerte in Gottfried ein unentdecktes Talent, denn schon hatte sich eine beträchtliche Menge an Zuhörern versammelt, die erwartungsvoll zu ihm aufblickte. Laute „Psssssssssssst“- oder auch „Haltet das Maul“-Rufe geboten Ruhe. Die Zickelberger waren bereit, ihrer Geschichte zu lauschen.
Und Gottfried begann. Er erzählte mit klarer, tragender Stimme, wie drei junge Recken von den fernen Kreuzzügen zurückkehrten und zusammen mit ihrem kleinen Freund aus dem Morgenland, das Gut Hülsdorn bezogen. 
Vielen im Publikum blieb der Mund vor Erstaunen offen stehen. Manche vergaßen, dass sie gerade an einem fettigen Krapfen kauten. Selbst die Taschendiebe vernachlässigten ihr Geschäft. Denn eine Legende zu erzählen, die auf dem Gut des Bellus de Harde spielte, das hatte noch niemand gewagt.
Als Gottfried an die Stelle seiner Geschichte kam, wo der Fremde in Schwarz über die Brücke ritt, trat Unruhe ein. Denn, obwohl er ihm noch nie begegnet war, beschrieb Gottfried den Ghul so treffend, dass allen gleich bewusst war, wen er meinte. Und als er dann auch noch deutlich machte, dass so ein Ghul niemals stirbt, erkannte er in manchen Gesichtern blanke Angst. Den Beherzten dämmerte, dass sie hier die Wahrheit hörten. Die Furchtsamen, die sich gegen die Erkenntnis wehrten, begannen mit ihrem gewohnten Genörgel. 
Ein Mann mit einem blauen Hut rief etwas von Verrat und Aufwiegelei. Jemand im Hintergrund schlug lautstark vor, den Geschichtenerzähler von seinem Podest zu holen und vor den Stadtherrn zu schleppen. Viele nickten und klatschten, andere geboten Ruhe, weil sie die Geschichte weiterhören wollten. 
Gottfried musste jetzt – Lampe hin, Lampe her – den Mob im Griff behalten, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, schlimmstenfalls gelyncht zu werden. 
„Ihr dort mit dem Hut“, übertönte er die Menge, „glaubt Ihr, die Ritter haben richtig gehandelt? Ja? Dann hört gut hin, wie es ihnen erging!“
Der Mann mit dem Hut winkte ab, blieb aber stehen und lauschte der Geschichte weiter. Und Gottfried malte ein wortreiches Bild von Phaia der mächtigen Wildsau. Er beschrieb, wie sie sich in Rauch auflöste und in einem Wirbel in der Flasche verschwand. Augenblicklich hatte er seine Zuhörer wieder. Er sah in ihren Gesichtern Zornesfalten, in jäher Erkenntnis hochgezogene Brauen und hier und da auch geballte Fäuste. 
Jetzt kam Gottfried richtig in Fahrt. Er schwenkte die Lampe, warf damit bedrohliche Schatten seiner selbst auf den Samt im Hintergrund, ließ seine Stimme mal donnern, mal flüstern, und fühlte den Funken überspringen. Das Publikum wurde zu Wachs in seinen Händen.

* 

Während oben auf der Burg die Festspiele begannen, waren unten im Gasthaus zur Fabel die Mitverschwörer nicht müßig. Sie rüsteten sich zu ihrem heimlichen Angriff auf das alte Rittergut, steckten Messer, Zangen und sogar starke, am Ende flach geschmiedete Eisenstangen ein. 
Nachdem der Ghul sich oben in der Loge gezeigt hatte, war Jacob eilig den Berg hinuntergeritten und stürmte jetzt in die Gaststube. 
„Alles klar, er sitzt sicher bei den Festspielen, es kann losgehen!“
Es waren keine Gäste in der Fabel, und auch auf der Straße war niemand zu sehen. Alles Volk befand sich bei den Festspielen oder im Städtchen, erst recht, seit sich herumgesprochen hatte, dass die Königin und der König zugegen waren. 
Und so konnten Johann, Walburga, August, Jacob und Timotheus offen über den Karrenweg zum Rittergut laufen. Von der Brücke aus war ebenfalls niemand zu sehen. 
„Glaubt ihr, dass der ganze Hof menschenleer ist?“, fragte Johann den Wirt.
„Nein, die armen Seelen, die Bellus zu Dienst verpflichtet sind, dürfen das Gut nicht verlassen. Aber sie werden nicht besonders wachsam sein. Hier gibt es weder Feinde noch Einbrecher. Seid trotzdem vorsichtig.“ 
Auf Hülsdorn herrschte vollkommene Stille. Der frühe Abend tauchte das Gut in Dunkelheit. Wie schattenhafte Gestalten huschten die fünf zwischen der Brücke und dem herrschaftlichen Gebäude von Deckung zu Deckung. 
Nur der kleine Dschinn war nirgends zu sehen. Er durfte sich erst im letzten Moment offenbaren, vorausgesetzt, ihr ganzer Plan würde aufgehen. Wenn nicht – dann Gnade ihnen Gott. 
Sie erreichten die Gebäude des Gutshofs und mieden das große, parkseitige Portal mit dem breiten, gepflasterten Weg. Zwischen der geschwungenen Mauer und einem halb zerfallenen Stall fanden sie einen versteckten Durchgang.
Vorsichtig spähten sie auf einen Innenhof. Verstreutes Stroh wehte im leichten Wind über den Boden, einige verbeulte Eimer, Heugabeln und Schaufeln lehnten an den Mauern. Gegenüber stand ein heruntergekommenes Haus, das einst hübsch gewesen sein musste, mit seinem ziegelgedeckten Dach und zahlreichen Gauben. Aber jetzt klafften große Risse in den Wänden und schmutzig dunkler Efeu rankte ungesund daran entlang. 
Geflickte Karren und zerbrochene Räder standen vor einem Stall, in dem schwarze Pferde stampften. Irgendwo bellte ein unglücklicher Hund. Und dann hörten sie ein tiefes Grunzen. Phaia tauchte am anderen Ende des Hofs auf und rüsselte geschäftig den Boden ab.
„Man fragt sich, was an diesem Gut noch zu retten ist“, flüsterte August. 
Johann deutete mit dem Kinn zu einer Tür. Sie schien der hofseitige Eingang ins Herrenhaus zu sein. Mit wenigen schnellen Schritten waren sie alle fünf dort angelangt. Im Gegensatz zum umgebenden Zerfall war die Tür reich geschnitzt und ihre verschnörkelte eiserne Klinke ließ sich problemlos niederdrücken und öffnen. 
Der Ghul schien sich sehr sicher zu fühlen, dachten sie, dass er sein Haus nicht verschloss. Hätten sie gewusst, dass es bei Todesstrafe verboten war, ohne Aufforderung dieses Gebäude zu betreten, wären sie nicht so forsch gewesen. Aber gut, sie waren ja auch nicht hier, um mit Bellus de Harde Kaffee zu trinken.
Rasch schlüpften sie ins Innere des herrschaftlichen Hauses. Ein staubiger Flur empfing sie mit lang herabhängenden Spinnweben. 
„Hier teilen wir uns am besten auf“, flüsterte Jacob. „Johann und Walburga, Ihr übernehmt das Untergeschoss. Timotheus und August, Ihr geht nach oben. Ich werde derweil den Hof und die Ställe erkunden.“
Walburga und Johann machten sich sofort systematisch auf die Suche. Sie öffneten zuerst die Türen zu ihrer Linken und gelangten in zahlreiche Zimmer, die aber alle seit langer Zeit nicht bewohnt zu sein schienen. 
Halb zerfallene Möbel, zerrissene Vorhänge und dicke Staubschichten zeugten davon, dass sie viele Jahre nicht mehr betreten worden waren. Dennoch durchsuchten die beiden jeden Kasten und Schrank nach verschließbaren Gefäßen. 
Sie brachen Beschläge von Truhen ab und zerstörten mit einer Eisenstange alle Schlösser, die sie fanden, auch wenn sie bezweifelten, dass es dazu noch passende Schlüssel gab. Dann kamen sie an eine Tür, die mit einem großen, schweren Vorhängeschloss versehen war. 
„Das ist sicher der Eingang zum Kellergewölbe, den können wir uns sparen“, flüsterte Walburga und sie hasteten weiter. 
August und Timotheus im Obergeschoss bot sich das gleiche Bild. Staub, Zerfall und Spinnweben. 
„Meine Güte, dieser de Harde muss doch irgendwo wohnen“, wunderte sich Timotheus. 
„Na, ein Bett braucht er wohl nicht“, antwortete August und schlug leise unter einem morschen Kissen den Glasdeckel einer trüb gewordenen Karaffe entzwei. 
Sie versuchten, so geräuschlos wie möglich zu sein. Aber sie störten niemanden, außer ein paar Fledermäusen, die aufgeregt um ihre Köpfe schwirrten. 
Johann und Walburga gelangten im Untergeschoss über einen Dienstboteneingang in die großzügigen Gesellschaftsräume. Überrascht stellten sie fest, dass hier alles sauber und aufgeräumt war: Kein Staub, keine Spinnweben und blank polierte Böden. Auf den Fensterbänken brannten kleine Laternen, um Eintretenden Orientierung zu geben. Staunend blieb das Paar im ersten Zimmer stehen. 
„Walburga, schau dir das an!“, flüsterte Johann ergriffen. 
„Meine Güte, ist das schön!“, hauchte seine Gattin.
„Dies müssen die Gesellschaftsräume sein, von denen Scotty erzählt hat. Er wird sich freuen zu hören, dass sein Zauber gewirkt hat und diese Zimmer geschützt worden sind.“
Wie in einem Traum schritten die beiden durch den rundum holzvertäfelten Raum, der sie buchstäblich mit seiner Geborgenheit in die Arme zu schließen schien. 
Ein prächtiger Ofen mit glänzenden, meisterhaft gebrannten Kacheln, welche farbenfrohe Szenen handwerklichen Lebens zeigten, verströmte angenehme Wärme. Reich gepolsterte Sessel und großzügige, seidene Diwane luden zum Verweilen und Ruhen ein. 
Das Licht der kleinen Laternen an den Fenstern ließ an der hohen Decke kunstvolle Gemälde von mystischen Wesen und Sternenbildern flackern, als wären sie lebendig.
Das Paar empfand eine Ahnung dessen, was Scotty von längst vergangenen Gesellschaften, Freundschaft und Wärme erzählt hatte. Erst jetzt begannen sie zu begreifen, wie alt das Gut Hülsdorn war und wie viele Szenen menschlichen Lebens es gesehen und beherbergt hatte. 
Durch eine breite Flügeltür gelangten sie in das nächste, etwas kleinere Zimmer, und sofort fühlten sie sich in einer anderen Welt. Seufzend bewunderte Johann einen weiteren Kamin, der in orientalisch anmutender Weise aus Sandstein gebaut war. Ein großer Spiegel schmückte ihn, der rundum mit Ornamenten verziert war. 
Johann fuhr mit der Hand den breiten Kaminsims entlang. „Hier hat er geschlafen, der kleine Scotty, vor über dreihundert Jahren!“ 
In der Mitte des Raumes standen viele Stühle an einer langen Tafel. Die heimlichen Besucher konnten sich lebhaft vorstellen, wie hier illustre Gesellschaften bei prachtvollen Dinners ihre Gläser hatten klingen lassen.
Ehrfürchtig schritten sie über den glänzenden Eichenboden. Vorsichtig und leise schob Walburga die nächsten Türflügel auseinander und sie betraten den dritten Raum. 
Dieses Zimmer strahlte weiß wie eine Blüte. Der hiesige Kamin stand nicht in einer Ecke, sondern prangte inmitten der Wand. Gestützt von Säulen aus atemberaubendem, weißem Stuck schien er Ewigkeiten überdauert zu haben. Wundervolle, alabasterne Gesichter lächelten blind in eine verborgene Welt, und eines wachte über allem und bildete eine Brücke zu der phantastisch gearbeiteten Decke  voller Ranken und Blüten. 
„Johann, schau, dieses Gesicht dort oben!“ 
„Das ist Scotty“, flüsterte der Angesprochene ehrfürchtig. „Er hat den Kamin mit seinem eigenen Antlitz geziert.“ 
„Jetzt weiß ich, warum er dieses Gut so liebt.“ Walburga streichelte versunken eine Alabasterranke. „So etwas Herrliches habe ich noch nie gesehen!“
„Leider sind wir nicht hier, um das Interieur zu bewundern“, raunte Johann ihr zu. 
Walburga erwachte, wie aus einem schönen Traum. Noch einmal schlichen die beiden sich zurück in das holzvertäfelte Zimmer, ja sogar in die dahinterliegende Küche und suchten, sich an ihre eigentliche Aufgabe erinnernd, nach Gefäßen, die verschlossen werden konnten. 
„Wie groß müssen die denn sein, damit jemand hineingezaubert werden kann?“ Walburga hielt ein Gläschen mit getrockneten Kräutern in die Höhe, in dessen Öffnung ein genau passender Holzpfropfen steckte.
„Ich habe keine Ahnung“, sagte Johann leise. „Besser, wir lassen nichts aus!“ 
Und so öffneten und entkorkten sie in aller hastigen Heimlichkeit sämtliche Behälter, die sie finden konnten, was in einer herrschaftlichen Küche eine langwierige Aufgabe war. Die gesammelten Korken und Holzstopfen warfen sie in das Feuer des Kachelofens im ersten Gesellschaftsraum, den Walburga für sich schon „Sternensaal“ getauft hatte. 
„Und jetzt?“, fragte Walburga, als sie in der Küche ein heilloses Chaos angerichtet hatten und keinen einzigen verschlossenen Topf oder Tiegel mehr fanden.
„Jetzt verstecken wir uns und warten, wie verabredet.“ 
„Und wo verstecken wir uns?“ 
Sie merkten, dass ihr Plan nicht ganz so ausgereift war, wie sie gedacht hatten. In dem Moment öffnete sich in dem Zimmer mit dem weißen Kamin eine Tür. Dort war der Zugang vom Hauptportal aus. Walburga hätte vor Schreck beinahe aufgeschrien. Nicht anders erging es Friedrich, der eintrat und nicht damit gerechnet hatte, seine beiden Freunde hier anzutreffen.
„Herrje, seid Ihr des Wahnsinns?“, hechelte Walburga, als sie ihn erkannte. „Ich wäre fast gestorben vor Schreck!“
„Dann fasst Euch ein Herz und macht Euch bereit für größere Gefahren“, flüsterte Friedrich gehetzt. „Der Ghul und seine hübsche Eroberung werden jeden Moment hier eintreffen.“ 
„Los, unter den Tisch!“, zischte Johann. Und alle drei stürzten sich geradezu unter die lange Tafel im Spiegelzimmer. Dort saßen sie mit hämmernden Herzen und hielten sich an den Händen.

*

August und Timotheus waren unterdessen mit ihrer Aufgabe im Obergeschoss fertig und eilten zurück in den staubigen Flur und auf den verwahrlosten Hof. Keine Menschenseele war zu sehen. Selbst Phaia war verschwunden. 
In aller Heimlichkeit betraten sie das von Efeu erstickte Haus und fanden dort eine muffige, heruntergekommene Gesindeküche. Wenn sie die Absicht gehabt hatten, hier Gefäße zu zerschlagen, so war ihnen jemand – oder der Zahn der Zeit – zuvorgekommen. Kaum ein Krug oder Fass, das nicht angeschlagen, verrostet oder ganz und gar zerbrochen war. Die wenigen halbverfaulten Lebensmittel, die sie fanden, standen offen. Es dauerte August, in diesem Mangel und in dieser Armut auch noch den letzten intakten Weinschlauch aufzuschlitzen und Ölkrügen die Deckel zu zerbrechen. 
In einer verschlossenen Kammer, die aber ihrem Brecheisen wenig Widerstand bot, fanden sie endlich die Vorräte, die offenbar für den Herrn des Gutes bestimmt waren. Viele geräucherte Würste und Käselaibe, Krüge mit frischer Milch und Butter, Körbe voller Wurzelgemüse und Kohlköpfe und einige Fässchen und Flaschen. 
Hier war viel zu tun. Es dauerte nicht lang und sie standen mit den Stiefeln in Rinnsalen von Wein und Milch. Es tat ihnen leid, die guten Lebensmittel auslaufen zu sehen, Mehlsäcke aufzuschlitzen und Töpfe mit Honig zu zerbrechen. Aber es half nichts. Sie hatten nicht die Absicht, sich hunderte von Jahren in ein Krautfass zaubern zu lassen.
Plötzlich grunzte es laut hinter ihnen. Entsetzt fuhren sie herum und erkannten Phaia, die wohl vom Geruch all der Leckereien angelockt worden war. 
„Na wunderbar, da haben wir ja auch gleich einen Sündenbock“, sprach August und gab der Wildsau den Weg in die Vorratskammer frei. Die ließ sich nicht zweimal bitten und begann sofort mit ihrem lautstarken Festmahl. Timotheus und August schlichen sich hinaus, lehnten die Tür an und steckten einen Besenstiel durch den Riegel. 

*

Derweil hatte Jacob verfallene Ställe und windschiefe Scheunen inspiziert. Eine winzige Backstube, über deren Tür eine uralte, geschmiedete Brezel schief an nur einer Kette baumelte, schien noch intakt zu sein. In dem gemauerten Steinofen gloste ein wenig Glut. 
Jacob hatte jedes Zeitgefühl verloren und fragte sich, wie lange Isolde den Ghul noch würde aufhalten können. Gerade wollte er auf den Hof zurückeilen, da prallte er frontal mit einem wahren Riesen zusammen. Fast wäre er zu Boden gegangen, hätte der andere ihn nicht am Arm gepackt und von seinem Sturz abgehalten. 
„Ho, was ist hier los?“ Der Riese hob eine Laterne und Jacob sah einen schwarzgekleideten Mann mit seltsam hoher Mütze. Er erkannte, dass er offenbar dem Bäcker gegenüberstand, der zu dieser fortgeschrittenen nächtlichen Zeit seine Arbeit aufnehmen wollte. 
„Warum seid ihr schwarz gekleidet?“, entfuhr es Jacob verdattert, obwohl die Zunftgesetze so gar nicht das Gebot der Stunde waren. 
„Ihr könnt froh sein, wenn auf diesem Hof das Mehl noch weiß ist“, entgegnete der Bäcker. „Wer seid Ihr und was zur Hölle treibt Ihr hier des nachts auf dem Hof?“ 
Jacob brach der Schweiß aus. 
„Ich äh ... verflucht – seid Ihr ein Freund des Ghuls oder sein Feind?“
„Ein Freund des was?“ 
„Des Gutsherrn, seid Ihr ihm treu?“
Der Blick des Bäckers verfinsterte sich. „Der Gutsherr hat keine Freunde“, sprach er eindringlich. Und dann mit gesenkter Stimme: „Oder seid Ihr etwa sein Freund?“ 
Da ertönten auf der anderen Seite des Hofes hastig geflüsterte Sätze. Ein Grunzen und dann schlug eine Tür. Jacob erkannte August und Timotheus, die soeben Phaia in der Vorratskammer eingesperrt hatten. 
Der Bäcker war herumgefahren und wich einen Schritt vor Jacob zurück. 
„Was ist hier los?“ Seine Stimme klang zugleich ängstlich und bedrohlich. Jacob hatte nicht die geringste Lust, sich mit dem großen Bäcker anzulegen. Aber für Erklärungen war jetzt keine Zeit.
„Passt auf“, zischte er. „Wir sind die Guten. Seid für uns oder gegen uns, aber entscheidet Euch, wir sind in Eile. De Harde wird bald zurückkehren.“ 
„Ob ich für Euch bin, weiß ich noch nicht. Aber ganz sicher streite ich gegen niemanden, um Bellus zu schützen.“ Er spuckte den Namen geradezu in die Nachtluft.
„Dann wisset, dass wir hier sind, um Euren Herrn zu vertreiben und das Gut zu befreien. Wollt Ihr uns helfen?“
Der Bäcker atmete angespannt, fixierte Jacobs Augen und nickte dann schließlich bedächtig, so als hätte er lange auf diesen Moment gewartet, aber nicht mehr daran geglaubt, dass er kommen würde.
„Dann warne alle, die noch hier auf dem Hof wohnen. Sammle sie und führe sie zum Gasthaus zur Fabel. Timotheus hier, wird Euch einlassen.“ 
Der Wirt, der inzwischen mit August herangekommen war, nickte nachdrücklich. Er würde heilfroh sein, das Gut noch vor Eintreffen des Ghuls verlassen zu haben. 
„Na, das wird eine schöne zerlumpte Gesellschaft in Eurer feinen Gaststube werden“, spottete der Bäcker, schickte sich aber sofort an, das Gesinde zu wecken. 
„Das wäre erledigt“, sagte Jacob, der mit August auf dem Hof zurückgeblieben war. „Und was jetzt?“ 
„Lass uns Johann und Walburga suchen“, antwortete August. 
Nur einen Augenblick später lag der dunkle Hof wieder in Totenstille. Für einige wenige, letzte Minuten, bevor wilde Hufschläge über das Pflaster schallten und ein einzelnes schwarzes Pferd in rasendem Galopp zwischen die Gebäude stürmte, der Reiter es brutal am Zügel riss und es in einer schleudernden Bewegung zum Stehen kam. 

 
Fortsetzung im nächsten Kalendertürchen. 

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