

„Vielleicht kommen wir ja noch rechtzeitig“, murmelte Gottfried mit wenig Zuversicht.
Sie saßen auf ihren Ponys und starrten auf die Bauernkate, auf die Phaias Spur schnurgerade zuhielt.
„Folgender Plan: Wir nähern uns leise und langsam. Sehen erst mal, ob sie wirklich irgendwo einfällt. Wenn ja, versuchen wir sie zu verscheuchen.“ Johann war ganz klar der beste Jäger unter ihnen und alle folgten seinem Gebot ohne Widerrede.
Vorsichtig ritten sie im Schritt auf die Bauernkate zu. Als sie näherkamen, zeigte sich, dass die Tür des Hauses nach Westen ging und sie sich von hinten auf das Gebäude zubewegten.
Es war ein kleines Haus mit etwas windschiefem Fachwerk und einem reetgedeckten Dach, welches auf dieser Seite fast bis zum Boden reichte. Eine alte, verwitterte Scheune daneben war an manchen Stellen notdürftig ausgebessert worden.
Langsam ritten sie auf der Südseite in einem Bogen um das Haus herum. Johann, an der Spitze, zügelte abrupt sein Pony, als er Sicht an dem Gebäude vorbei hatte. Man hörte heftiges Grunzen und Schnauben. Auch die anderen drei stoppten entsetzt und starrten auf die Szene, die sich ihnen bot.
Gegenüber dem Haus befand sich ein kleiner, aber ordentlich angelegter Gemüsegarten, in dem jetzt, kurz vor dem Winter, saubere Reihen von Lauch, mehrere Kohlsorten und Mangold standen. Dazwischen verschiedene Kräuter, die noch kein Nachtfrost berührt hatte. Außerdem gab es grüne Wintersalate, letzte Ringelblumen und ein paar Pfefferbäumchen, an denen wenige rote Schoten hingen. Am Rand lagen, der Größe nach geordnet, gelbe und orangerote Kürbisse.
Das heißt – so mochte der fleißig gepflegte Garten bis vor wenigen Minuten ausgesehen haben. Jetzt war Phaia über dieses Stückchen Land gekommen und wütete darin wie ein Berserker.
Wahllos biss sie in die Kohlköpfe, kaute und schluckte mit lautem Schnurpsen und Rülpsen. Nicht dass sie einfach einen Kohl oder einen Kürbis genommen und ihn komplett gefressen hätte, um ihren Hunger zu stillen. Nein, sie schlug ihre gelben Zähne mal hier und mal da in das Gemüse, trampelte dabei die zarten Salatpflänzchen in den feuchten Boden, riss mit ihren riesigen Klauen Salbei, Rosmarin und Thymian mitsamt den Wurzeln aus dem Boden und wühlte mit ihrem warzigen Rüssel die Erde durch wie ein Pflug. Das Gärtchen war vollkommen verwüstet.
Wie zur Salzsäule erstarrt, stand auf dem ausgetretenen Lehmpfad zwischen Haus und Garten eine junge Frau. Ihr langes Haar, das weit über ihren schmalen Rücken reichte, wurde von einem Tuch zusammengehalten. Auf ihrer linken Hüfte saß ein kleines Kind. An ihrer rechten Hand hielt sich krampfhaft ein Junge fest, der genau wie seine Mutter, fassungslos auf das Geschehen in der kleinen Umfriedung blickte.
Johann erfasste in Sekunden die Lage.
„Walburga, Isolde, ihr bringt die Frau und die Kinder ins Haus, schnell. Gottfried, die Pistolen, aber nur in die Luft schießen!“
Kaum hatte er geendet, setzten sie sich alle vier in Bewegung. Die Frauen hielten auf die junge Bäuerin zu und riefen, dass sie ins Haus gehen solle. Aber die Frau – fast noch ein Mädchen, erkannten sie beim Näherkommen – war von dem Geschehen vollkommen paralysiert. Und das wurde durch ihren Ritt und ihre Frauenstimmen aus vermeintlichen Männerkörpern nicht besser.
Walburga und Isolde brachten die Ponys zum Stehen, sprangen ab und liefen auf die junge Mutter zu. Keinen Blick verwendeten sie auf die Geschehnisse im Gemüsegarten. Sie verließen sich voll und ganz darauf, dass ihre Männer sich um Phaia kümmerten.
Gerade wollte Isolde die Bäuerin bei den Schultern nehmen und zur Haustür umdrehen, als es zweimal ohrenbetäubend knallte. Gottfried und Johann hatten ihre Steinschlosspistolen abgefeuert, um Phaia zu erschrecken.
Aber nicht nur die Wildsau floh daraufhin kopflos in Richtung Straße, auch die junge Bäuerin packte schreiend ihre Kinder und rannte endlich ins Haus. Und nicht zuletzt nahmen ihre Ponys Reißaus, gefolgt von den durchgehenden Tieren, auf denen Gottfried und Johann noch saßen.
Isolde und Walburga zögerten kurz, sahen aber ein, dass sie zu Fuß gar nichts ausrichten konnten und die Ponys den Männern überlassen mussten. Sie folgten der jungen Frau in die kleine Kate.
Das Innere des Hauses bestand nur aus einem einzigen Raum. An der hinteren Wand befanden sich zwei grob gezimmerte Türen und ein halb offenstehender Vorhang, der den Blick auf einen Alkoven mit einem sauber geglätteten Schlaflager freigab.
Die junge Frau stand vor einem großen Tisch aus schweren Eichenbohlen, presste ihre Kinder an sich und schaute die Besucherinnen furchtsam an. Der kleine Junge hatte das Gesicht in den Röcken der Mutter verborgen und die Arme um deren Beine geschlungen. Das Kind auf dem Arm klammerte sich an und greinte leise. In der hinteren Ecke des Raumes stand eine Wiege, die sich ein bisschen bewegte und über deren Rand ab und zu ein kleines, fuchtelndes Fäustchen oder Füßchen auftauchte.
Walburga, die so etwas eindeutig besser konnte, ging zu der jungen Frau und legte fürsorglich einen Arm um ihre Schultern.
„Habt keine Angst“, sagte sie beruhigend. „Unsere Männer vertreiben das Wildschwein. Es ist weit weg und wird nicht zurückkommen.“
„Wir tun Euch nichts“, fand jetzt auch Isolde ihre Sprache wieder. Sie sah, wie der Blick der Bäuerin sich langsam fing und als Erstes an ihren Männerhosen hängenblieb. „Wir tragen Hosen um auf der Straße nicht als Frauen aufzufallen.“
„Kommt, setzt Euch.“ Walburga strahlte eine mütterliche Sicherheit aus, als wäre dies ihr eigenes Haus. Sie drückte die Frau auf einen der Stühle, streichelte dem kleinen Jungen über den seidigen Haarschopf und lächelte liebevoll, als er zu ihr aufschaute. Sie nahm das andere Kind aus den Armen seiner Mutter und wiegte das erstaunt schauende Mädchen auf ihrer Hüfte.
In dem Moment hörten sie draußen Schritte und die Tür wurde heftig aufgestoßen. Ein Mann betrat die Kate. Die Bäuerin rief „Michel!“, sprang auf und stürzte sich in seine die Arme.
„Anna, was ist hier los?“, herrschte er. Isolde hob beschwichtigend die Hände.
„Bitte, entschuldigt, wir haben nur Eurer Frau geholfen. Ein Wildschwein ist in ihren Garten eingebrochen und wir sind zufällig gerade vorbeigekommen.“ In dem Moment, wo sie es sagte, wurde Isolde klar, dass sie Unsinn redete. Hier kam niemand zufällig vorbei. Die Straße war ein ganzes Stück entfernt. Außerdem wirkte sie in ihren Männerkleidern alles andere als vertrauenerweckend.
Zu allem Überfluss klang jetzt von draußen auch noch das Hufgetrappel von fünf Ponys. Der Bauer war nahe daran, sich mit den Fäusten auf Johann zu stürzen, der als erster in die Kate trat. Zum Glück hatte sich seine Frau inzwischen so weit gefangen, dass sie ihn davon abhalten konnte. Es war letztlich der Säugling in der Wiege, der durch sein Schreien alle zur Vernunft brachte.
Der Bauer ging noch einmal hinaus, um sich kurz vor der frühen Dämmerung seinen verwüsteten Garten anzuschauen. Die vier Besucher konnten sehen, wie er bei dem Anblick die Fäuste ballte.
Erst jetzt begriffen die Reisenden, dass die Familie durch die Zerstörung ihres Wintergemüses in ihrer Existenz bedroht war. Dies war kein netter kleiner Garten, den man sich zur Freude an Blüten und Früchten anlegte. Dies war ein mit sehr viel Schweiß und Fleiß geschaffener Lebensunterhalt. Von diesem Garten hätte die Familie einen ganzen Winter lang Gemüse essen und auch noch einiges verkaufen können.
Sie standen betreten in der Kate, als der Bauer wieder hereinkam. Wütend zerrte er sich die Jacke vom Leib und warf sie auf den Boden. Der Raum wirkte eng und stickig mit so vielen Menschen.
„Ich habe dieses Mistvieh heute Morgen schon von weitem gesehen“, fluchte Michel. „Aber ich habe sie in der falschen Richtung vermutet.“
Johann fing an, seine Version ihrer Lage zu berichten. „Wir waren dieser Bache auf der Spur. Den ganzen Tag schon hatten wir ihre Abdrücke auf der Straße gesehen. Wir sind in Geschäften unterwegs nach Westen.“
„Die Straße ist gefährlich, deshalb haben sich unsere Frauen wie Männer verkleidet“, erklärte Gottfried.
„Wir hatten ein wenig gehofft, die Bache erlegen zu können. Wildschweinbraten wäre uns gerade recht gekommen“, nahm Johann den Faden wieder auf. „Und so sind wir dem Tier auf seiner Fährte bis zu Eurem Haus gefolgt. Aber als wir ankamen, war es schon zu spät.“
Der Bauer blickte die Vier misstrauisch an. Er glaubte ihnen kein Wort, das war klar.
„Danke, dass Ihr uns helfen wolltet“, sagte er knapp. Für ihn war die Angelegenheit damit offenbar erledigt.
Isolde schnaubte leise vor Empörung. Was hieß hier helfen wollten? Wer weiß, was die Sau noch alles angerichtet hätte, wenn sie nicht gekommen wären.
„Dürften wir vielleicht in Eurer Scheune nächtigen?“, fragte Gottfried, der sich besser zu beherrschen wusste als seine Frau.
Michel nickte widerwillig.
„Bitte erlaubt uns, als Dank unsere Wegzehrung mit Euch zu teilen.“ Walburga hatte schnell erfasst, dass in dieser Kate nicht selten Hunger und Kälte zu Gast waren.
Im Kamin brannte nur ein klägliches Feuerchen. Bäume waren in dieser sumpfigen Landschaft rar und der Korb mit Feuerholz zeigte, dass es sich um Klaubholz aus dem Wäldchen handeln musste, das sie heute durchquert hatten. Keine mit der Axt gespaltenen Scheite, sondern trockene Zweige und Ästchen, mühsam vom Boden aufgelesen.
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Walburga hinaus und kam mit ihrem Lebensmittelbündel wieder herein. Sie winkte Anna zu sich.
„Was könnt Ihr hieraus für uns alle kochen?“, fragte sie die junge Hausfrau.
Anna, die sich durch die Anwesenheit ihres Mannes ein wenig von dem Schrecken erholt hatte, durchsuchte mit geübten Händen die Vorräte und legte entschlossen das Mehl, die Trockenfrüchte, ein Stück Speck und etwas von dem harten Brot beiseite.
„Pfannkuchen“, sagte sie dann. „Und Pudding.“
Walburga schob ihr die Lebensmittel über den Tisch. „Ihr zeigt mir, wie man Pfannkuchen und Pudding macht, und bekommt dafür diese ganzen Sachen.“
Anna holte flugs einen kleinen Korb mit Eiern und einen Krug Milch aus einer der Kammern hinter den Holztüren. Sie weichte die harten Brotstücke und einige trockene Äpfel und Zwetschgen in der Milch ein. Dann nahm sie das Mehl und schüttete es in eine Schüssel. Auf einmal gab es ein hell klingendes Geräusch. Alle drehten sich um. Anna griff in das Mehl und als ihre weiß bepuderten Finger wieder hervorkamen, hielt sie eine große silberne Münze in der Hand.
Michels Augen verengten sich zu Schlitzen, die von Johann und Gottfried verdrehten sich entsetzt.
„Oh, hui“, Walburga lachte verlegen. „Das äh… Entschuldigt, wir haben unsere, äh, einzige größere Münze im Mehl versteckt. Da hatte ich jetzt gar nicht mehr dran gedacht.“
Im gleichen Moment kam sie sich unsäglich albern vor. Was redete sie da? Menschen, die wirklich nur eine Silbermünze besaßen, wussten immer genau, wo die war. Aber nun war es zu spät und Walburga nahm die Münze und steckte sie in ihre Rocktasche.
Anna beeilte sich, das Mehl mit Salz und Eiern anzurühren. Dann hob sie einen großen irdenen Topf von einem Regal, und darin fand sich ein wenig Honig.
Es entging Isolde nicht, wie Michel die Stirn runzelte. Aha, dachte sie, hier werden die letzten kostbaren Schätze für die Gäste hervorgeholt. Auch das wenige Klaubholz wurde zur Gänze aufs Feuer geworfen.
Walburga und Isolde verfolgten aufmerksam, wie Anna den Speck klein schnitt und das Fett in der heißen Pfanne ausließ. Sie buk darin einen Stapel goldgelber Pfannkuchen, die mit den knusprigen Speckwürfeln bestreut und aufgerollt wurden. Das eingeweichte Brot kochte derweil mit den Früchten und dem Honig zu einem Pudding.
Als es draußen dunkel geworden war, saßen sie alle eng beieinander um den Tisch und aßen sich an würzigen Speckpfannkuchen und süßem, warmem Pudding satt. Die Kinder konnten gar nicht genug bekommen und kauten mit großen, glänzenden Augen.
Aber Michel schien dieses tröstliche Mahl weder zu entspannen noch freundlicher zu stimmen. Er erwies sich als herrischer Mensch und war nicht gewillt, irgendeine Art von Mitgefühl zuzulassen. Die vier Reisenden begriffen das schnell und sprachen das heikle Thema Gemüsegarten nicht mehr an. Sie bedankten sich sehr für Annas Kochkünste, nicht ohne ihr vor dem Schlafengehen dabei zuzusehen, wie sie eine Grütze aus gequetschten Gerstenkörnern für den Morgen ansetzte.
Gottfried bat darum, einige Handvoll Getreide kaufen zu können. Die Kornernte war dieses Jahr gut gewesen. Seine Absicht war natürlich, einen großzügigen Preis für das Säckchen Gerste zu zahlen, aber Michel zeigte sich stur und wollte ausschließlich so viel Geld annehmen, wie das Getreide wert war. Sie standen in der Scheune und Michel scheffelte das Korn in grobe Leinensäckchen.
Isolde platzte jetzt langsam der Kragen. „Hört einmal, Michel, nun tut doch nicht so, als hätten wir Euch die Wildsau in den Garten geschickt. Und nehmt doch etwas von uns an. Uns tut es nicht weh. Aber Eure Kinder müssen diesen Winter essen und es warm haben!“
Mit diesen Worten stapfte sie durch das tiefe Stroh zu ihrem Pony und fummelte ein Geldstück aus dem Sattel. Gottfried sog scharf die Luft ein. Das war leichtsinnig. Der Bauer musste den Eindruck haben, dass sie überall Geld versteckt hatten. Aber er verstand Isolde. Außerdem: Was sollte ihnen passieren, sie waren zu viert und hatten Pistolen.
Isolde griff Michels große Hand und schob das Geldstück hinein. „So, und nun lasst es gut sein!“, sagte sie. Der Bauer behielt das Geld, zeigte sich aber in keiner Weise dankbar.
Schließlich wünschte man sich eine gute Nacht und die Besucher machten es sich in der Scheune bequem, in der ihre fünf Ponys schon für ein wenig Wärme gesorgt hatten. Sie redeten nicht mehr viel, tauschten aber vielsagende Blicke. Jetzt waren sie zu müde, um ihre oder die Lage der Bauern zu diskutieren. Also rollten sie ihre Decken im Stroh aus, in Gedenken an ihre letzte kalte und nasse Nacht, dankbar für diesen geschützten Platz. Eng zu zweit aneinandergeschmiegt, wurden sie bald warm und konnten schlafen. Der Tag war anstrengend gewesen, und so forderte die Natur ihr Recht.
Erst als die Morgendämmerung schon weit fortgeschritten war, wachten sie auf. Während Isolde und Walburga sich mühten, die vielen Strohhalme aus den Wolldecken zu schütteln, gingen die Männer hinüber in die Kate. Dort fanden sie Anna allein mit den Kindern vor. Michel war schon früh aufgebrochen. Sie boten der jungen Frau nochmals Geld für die kalte, ungewürzte Grütze, die sie auf vier irdene Teller schöpfte. Sie nahm ein paar Pfennige an.
Am frühen Vormittag verabschiedeten sie sich schweren Herzens von der Bäuerin und ihrem Jungen und dem kleinen Mädchen auf ihrer Hüfte. Walburga ging noch einmal zur Wiege und legte dem Baby heimlich ihren wollenen Schal um die Beinchen.
Dann ritten sie langsam und nachdenklich wieder in Richtung Handelsstraße. Sie waren noch nicht weit gekommen, als Gottfried plötzlich anhielt.
„Eigentlich ist es doch unsere Schuld, was diesen Leuten passiert ist.“
Genau den gleichen Gedanken hatten die anderen auch gehabt.
„Wir können nicht einfach so weggehen!“ Walburga trug sich sehr schwer mit dem Wissen, dass die drei Kinder ohne den von Phaia zerstörten Ertrag im Winter hungern würden.
„Wir müssen sie irgendwie zwingen, Geld von uns zu nehmen“, schlug Isolde vor. „Mit der Münze, die ich ihm gestern für die Gerste gegeben habe, kommen sie nicht weit.“
„Dann würden wir aber ihren Stolz brechen“, gab Johann zu bedenken.
„Nein“, antwortete Isolde wütend, „wir würden nur den Stolz von diesem engstirnigen Michel brechen, der lieber seine Kinder hungern und seine junge Frau schuften lässt, anstatt etwas anzunehmen, und sie ein Kind nach dem anderen bekommen lässt.“
Unschlüssig saßen sie auf ihren Ponys.
„Wir machen es so, dass sie gar nicht ablehnen können“, überlegt Johann laut. „Wir legen es ihnen einfach irgendwo hin. Und zwar so viel, dass klar wird, dass wir es entbehren können.“
Walburgas Augen leuchteten. Dieser Plan gefiel ihr.
„Aber wie willst du das machen?“, fragte Gottfried. „Wir können das Geld ja schlecht irgendwo ins Heu oder in den verwüsteten Garten legen. Nachher finden sie es gar nicht.“
Nachdenklich blickten sie zurück zur Bauernkate mit ihrem niedrigen Dach. Walburga bemerkte, dass kein Rauch aus dem kleinen Schornstein drang. Es musste kalt in der Hütte sein. Sie hatten gestern das ganze Feuerholz zum Kochen verbraucht. Da kam ihr eine Idee.
„Ich laufe schnell zu Fuß zurück, damit sie mich nicht hört, und warte, bis Anna mal das Haus verlässt. Sie wollte doch in den Garten gehen und schauen, was sich von dem Gemüse vielleicht noch retten lässt. Dann klettere ich von hinten auf das Dach. Ich werfe die Münzen einfach durch den Kamin. Sie werden sie erst finden, wenn sie heute Abend Feuer machen wollen, und dann sind wir schon weit weg.“
Die anderen lachten über diese alberne Idee, aber nichtsdestotrotz gefiel sie ihnen. Sofort trennten sie einige Nähte an ihren Kleidern auf und holten das dort versteckte Geld hervor. Sie trugen eine Handvoll Münzen zusammen, die einzeln nicht so wertvoll waren, dass Michel damit Aufsehen erregen würde. Dennoch war der Gesamtwert so hoch, dass die Bauern auf jeden Fall einen Winter essen und Brennholz erwerben konnten.
Walburga steckte die Münzen in ihre Tasche und lief rasch zurück zur Bauernkate. Es war einfach, das Reetdach zu erklimmen, aber sie musste eine ganze Weile warten, bis sich Anna mit den beiden größeren Kindern in den zerstörten Garten aufmachte. Dann ließ Isolde die Münzen einzeln durch den Kamin fallen und lauschte ihrem hellen Klang, wenn sie unten aufschlugen.
Als sie wieder bei den anderen ankam, sah sie, dass die drei nicht müßig gewesen waren: Sie hatten einen ordentlichen Haufen Klaubholz am Waldrand zusammengetragen. Anna würde heute nicht lange suchen müssen.
„Mehr können wir nicht tun“, sagte Johann. „Wir haben noch vielleicht fünf Stunden Licht. Machen wir uns auf den Weg!“
Fortsetzung im nächsten Kalendertürchen.
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